In Transparenzien – Info

In Transparenzien

transparent [lat.-franz.], durchscheinend, durchsichtig; deutlich verstehbar, erkennbar.

Transparent [lat.-franz.], [öffentl. angebrachtes, mitgeführtes] Spruchband.

Transparenz [lat.], allg. svw. Durchsichtigkeit, [Licht]durchlässigkeit; Klarheit, Durchschaubarkeit.

in…, In… [lat.], Vorsilbe mit den Bed. ein … hinein und ohne, nicht, un…; wird vor l zu il…, vor r zu ir…, vor m, b und p zu im…, z. B. illegal, implizit.

(alle Definitionen aus: Meyers Großes Taschenlexikon, 2. Aufl. 1987)

Nach der Wende wurde in der neuen deutschen Hauptstadt sehr viel gebaut. Mich faszinierten Spiegelungen in den neuen Gebäuden, die so viel Glas verwendeten.

Auf der Suche nach einem griffigen Titel dachte ich an »Transparency«, den englischen Begriff für Transparenz, der aber gleichzeitig auch »Diapositiv« und »Overheadfolie« bedeutet. Diese Doppeldeutigkeit und der Bezug zur Fotografie gefielen mir. Das Englische aber war für mich ausgeschlossen. Ich wollte einen deutschen Titel.

Transparenz ist ein großes Thema in der Politik; auch bei der gläsernen Bauweise spielt der Gedanke an Transparenz eine Rolle. Bei beidem fällt es schwer, darin mehr als eine bloße Behauptung zu sehen. Der Augenschein lehrt, dass in Wirklichkeit keine Transparenz vorhanden ist, sie wird nur »vorgespiegelt«. Eigentlich handelt es sich eher um »Intransparenz«.

Das Wort »Intransparenz« brachte mich schließlich über den ähnlichen Klang von »In Transsylvanien« zu dem Titel »In Transparenzien«.

Nachdem dieser Titel gefunden war, ergaben sich automatisch neue Assoziationen, die zu neuen Bildideen führten und zu einer erhöhten Sensibilität für Dinge, die mit diesem Thema in Beziehung stehen. Das viele Glas und die Spiegelungen, die Riesen-Transparente der Werbung, die Vortäuschung einer anderen Wirklichkeit durch »potemkinsche« Fassaden, der ständig durch Videokameras beobachtete »gläserne« Bürger – plötzlich gehörte all dies dazu.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im ersten Artikel des Grundgesetzes. Sie wird aber unter der ständig zunehmenden Überwachung immer unsichtbarer, immer unfühlbarer. Der NSA-Skandal und die Reaktion der Regierenden darauf sind ein weiterer Beleg dafür, dass die Unantastbarkeit der Menschenwürde nur ein schöner Schein bleibt, ein uneingelöstes Versprechen wie die Wahlversprechen der Politiker.

Es gibt viele Bilder mit Spiegelungen; manchmal ist es schwer, direkt sichtbare und gespiegelte Gegenstände auseinanderhalten und richtig zuordnen zu können. Der Blick auf die Schokoladenseiten wird ziemlich konsequent vermieden, und plötzlich erscheinen Kanzleramt, Bundestagsgebäude und Ministerium wie ein Gefängnis oder eine Festung. Bilder stehen nebeneinander, die auf den ersten Blick keinen Zusammenhang zu haben scheinen. Ist es normal, wenn wir »nicht mehr durchblicken«? Was steckt dahinter?

Zu erreichen, dass man dem Gesehenen, der behaupteten Realität und Alternativlosigkeit nicht mehr ohne weiteres traut, ist ein Ziel der Bilder. »In Transparenzien« ist ein Blick auf den Zustand unserer Gesellschaft, wie er sich an der Oberfläche der deutschen Hauptstadt darstellt.